Miroslav Tichÿ fotografierte täglich und setzte damit seine Praxis aus der Kunstakademie konsequent fort: Es war eine Ubung im Suchen und Verfolgen und schtiesslich der Wiedergabe des weiblichen Körpers.

Seine analogen Fotografien weisen Spuren und Fehler auf, die er durch die Herstellung eigener Kameras und Vergrösserungsgeräte absichtlich herbeiführte. Seine Bilder fangen die Frauen in körnigen Flecken aus Licht und Schatten ein. Sie sind auf grob geschnittenem, lichtempfindlichem Papier belichtet, das er dann oft auf Altpapier geklebt hat - Gesten, die dazu einladen, als integraler Bestandteil der Arbeit gelesen zu werden.

In den 1970er und 1980er Jahren fotografierte Miroslav Tichy immer wieder seinen Fernseh-bildschirm. In der kleinen Stadt Kyjov nahe der österreichischen Grenze, wo er lebte, konnte er der Enge und Prüderie der Zensur des Ostblocks entfliehen und den österreichischen Fernsehsender ORF mit seinen westlichen Spielfilmen und freizügigeren Abendprogrammen schauen.
Das Schimmern der im Licht gefangenen Fernsehschönheiten wirkt gespenstisch und herrlich zugleich. Die Bewegtbilder scheinen noch realer als die Standfotos vor dem Fernsehzeitalter.

Linien auf den Bildern zeigen den Bildschirm, und manchmal spiegelt sich eine Glühbirne im Zimmer. In mehrerlei Hinsicht markiert diese Serie einen bedeutsamen Augenblick. Man stellt sich Tichÿ vor, wie er gebannt am Bildschirm sitzt und wechselnde Bilder erhascht, so als ginge er draussen spazieren, aber dieses Mal in einer schwer bestimmbaren Welt, die eine neue Kategorie des Anderssein betont.

Tichÿs Praxis lässt uns die Art und Weise nochmals neu betrachten, in der wir mit Medien und mit den Bildern umgehen, die in unser Privatleben einbrechen und dabei die Schichten des Zeigens und genauen Hinsehens durchdringen. Sein Werk ist ein Streifzug durch die Zukunft der Bilder, der von der Realität in die virtuelle Welt von Computerbildschirmen und Mobiltelefonen vordringt.
CÉLINE MATHIEU